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Im Vergleich zu anderen Regionen verfügt Europa über einen stabilen Rechtsrahmen mit langfristigen politischen Zielen und zuverlässigen Daten zu einem breiten Themenspektrum, von Treibhausgasemissionen und Schutzgebieten bis hin zu Luftqualität und Siedlungsabfällen. Der Handlungsrahmen der Europäischen Umweltagentur ist durch diese politischen Rahmenbedingungen und Wissensgrundlagen abgesteckt. Dank unseres Auftrags und unseres Netzwerks verfügen wir über einen weitreichenden geografischen Wirkungskreis, erstellen integrierte thematische Analysen und wirken an politischen Diskussionen auf europäischer wie auch nationaler Ebene mit.
Unsere Analysen deuten auf Fortschritte in einer Reihe von Bereichen, aber auch auf besorgniserregende Entwicklungen hin (siehe Momentaufnahme der EUA zu den wichtigsten Schwerpunktthemen). So ist es den Mitgliedstaaten der Europäischen Union beispielsweise beim Klimaschutz gelungen, ihre Treibhausgasemissionen zu verringern. Sie werden die kurzfristigen Ziele erreichen. Die langfristigen Ziele erfordern jedoch Reduzierungen in weit größerem Ausmaß und in einem wesentlich schnelleren Tempo.
Wie können wir die Emissionen weiter und schneller reduzieren und Klimaneutralität erreichen? Besonders vor dem Hintergrund, dass bestimmte Wirtschaftszweige wie beispielsweise der Verkehrssektor Schwierigkeiten haben, eine Verringerung zu erzielen, was hauptsächlich dem steigenden Bedarf geschuldet ist? Der Klimawandel hat Auswirkungen auf Europa, die auch künftig verstärkt spürbar werden. Treffen wir die notwendigen Anpassungs- und Vorbereitungsmaßnahmen?
Die Zerstörung der Umwelt, einschließlich des Verlustes der biologischen Vielfalt, geht trotz unserer intensivierten Bemühungen weiter. Die langfristigen Aussichten sind noch düsterer. Die Verbrauchs- und Produktionssysteme üben weiterhin erheblichen Druck auf Land Gewässer und Ozeane und ihre Ökosysteme in Europa und weltweit aus. Die von diesen Systemen ausgestoßenen Schadstoffe führen – neben anderen Folgen – zu Verschmutzung, die ein weiteres anhaltendes Problem darstellt. Dabei werden verschiedene Schadstoffe freigesetzt und sammeln sich in der Atmosphäre, im Wasser und auf dem Land an, was mit erheblichen potenziellen Auswirkungen auf die Ökosysteme und die menschliche Gesundheit verbunden ist. Trotz beachtlicher Verbesserungen der Luftqualität in Europa in den letzten Jahrzehnten wird davon ausgegangen, dass allein die Verschmutzung der Luft in Europa jedes Jahr noch immer mehr als 400 000 vorzeitige Todesfälle verursacht. Hinzu kommt, dass bestimmte Gruppen für solche Umwelt- und Klimabelastungen anfälliger sind als andere.
Und dabei verfügt Europa wahrscheinlich über die umfassendste Umweltgesetzgebung der Welt. Was müssen wir darüber hinaus noch tun, um den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten, die Luftqualität weiter zu verbessern und Schädigungen der menschlichen Gesundheit zu vermeiden?
Die europäische Öffentlichkeit fordert lautstark Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und für bessere Nachhaltigkeit. Tausende von Schülern in ganz Europa gehen in Begleitung ihrer Eltern und Großeltern auf die Straße. Angesichts dieser beispiellosen Akzeptanz in der Öffentlichkeit und des Ausmaßes der anstehenden Aufgaben überrascht es nicht, dass diese Themen im Mittelpunkt der politischen Ziele Europas in den kommenden Monaten und Jahren stehen werden. An der Zusammensetzung des neuen Europäischen Parlaments lassen sich diese Forderungen der Öffentlichkeit ebenso ablesen, wie an der Agenda von der Leyens „Eine Union, die mehr erreichen will“. Darin sind die politischen Prioritäten der nächsten Europäischen Kommission dargestellt. Das erste zentrale Ziel – ein europäischer „Green Deal“ – geht mit einer Reihe von Prioritäten einher, die unmittelbar und eng mit der Arbeit und dem Wissen der Europäischen Umweltagentur verbunden sind.
Im Laufe der Jahre hat die EUA durch ihre Analysenauf die Probleme im Bereich zentraler Gesellschaftsbereiche aufmerksam gemacht, darunter Mobilität, Energie und in jüngster Zeit auch Ernährung. Die europäische Politik hat diesem Ansatz auch in Gesetzesinitiativen Rechnung getragen, u. a. zum Thema Klima und Energie. Darüber hinaus haben wir auf die Notwendigkeit hingewiesen, uns auf den Weg der Nachhaltigkeit zu begeben, sowie auf die Rolle, die die Politik bei der Erleichterung dieses Übergangs spielen kann, wie es auch in der Agenda von der Leyens hervorgehoben wird.
Die Schlüsselfrage lautet daher nach wie vor: Wie setzen wir alle gemeinsam die politischen Ziele auf europäischer, nationaler oder auch lokaler Ebene tatsächlich um? Wie gehen wir vor, damit der europäische „Green Deal“ Wirklichkeit werden kann?
Dies setzt ganz sicher ein komplettes Umdenken und eine Neugestaltung unserer Schlüsselsysteme voraus – unsere Fortbewegungsmittel, unsere Energieproduktion und -nutzung, unsere Lebensmittelerzeugung und -verwertung usw. Allerdings unterscheiden sich die Herausforderungen, die es im Zusammenhang mit dem Mobilitäts- oder Energiesystem in Angriff zu nehmen gilt, von jenen in Verbindung mit dem Ernährungssystem. In den letzten Jahren sind erneuerbare Energien zu einem entscheidenden Bestandteil des Energiesystems geworden, wohingegen bei der Gestaltung des Straßenverkehrs noch immer der Besitz eines eigenen Pkw im Mittelpunkt steht. Die Erkenntnisse der EUA weisen auf mögliche Ansatzpunkte für jedes einzelne System hin.
Die Dringlichkeit und das Ausmaß der anstehenden Herausforderungen bedeuten, dass wir die Auseinandersetzung mit diesen schwierigen Themen nicht mehr länger hinauszögern können. In Bereichen, die rasche Erfolge versprechen, wurden bereits Maßnahmen eingeleitet. Wie können wir Lebensmittel produzieren, ohne die Umwelt zu schädigen, und ländliche Gemeinden unterstützen? Wie können wir einen gerechten Übergang vollziehen und dafür sorgen, dass diese Gemeinschaften nicht ins Hintertreffen geraten? Wie können wir öffentliche und private Gelder von Aktivitäten, die Umweltzerstörung und Klimawandel verursachen, abziehen und so umleiten, dass sie zur Förderung der Nachhaltigkeit eingesetzt werden können?
Europa bietet eine Fülle guter Beispiele für innovative Ideen und Maßnahmen. Es ist an der Zeit, diese auszubauen und zu beschleunigen. Angesichts der beispiellosen öffentlichen Akzeptanz ist diese Gelegenheit einzigartig. Wir können jetzt die entscheidenden Maßnahmen ergreifen, damit wir Europa auf den Weg zu mehr Nachhaltigkeit bringen. Zur Erleichterung dieses Übergangs wird die Europäische Umweltagentur auch weiterhin politische Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit durch die Bereitstellung der besten verfügbaren Erkenntnisse zu aktuellen und neu aufkommenden Themen unterstützen.
Hans Bruyninckx
Exekutivdirektor der EUA
Dieser Leitartikel wurde im September 2019 im EUA-Newsletter 03/2019 veröffentlicht.
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