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Der Boden ist ein komplexes, dynamisches und lebendiges Gebilde, das als die lebendige Haut der Erde betrachtet werden kann. Er setzt sich aus mineralischen und organischen Bestandteilen sowie aus Luft und Wasser zusammen. Ganz allgemein bestehen mineralische Bestandteile aus Partikeln wie Sand, Schlamm und Lehm, die sich aus verschiedenen chemischen Bestandteilen zusammensetzen, während organische Bestandteile aus lebenden Organismen wie Pflanzen, Bakterien, Pilzen, Fauna und deren Rückständen stammen.
Böden sind wichtige Reservoirs an biologischer Vielfalt. Etwa ein Viertel bis ein Drittel aller Organismen ist im Boden zu finden. Die Biodiversität des Bodens kann Organismen umfassen, die von mikroskopisch kleinen Bakterien und Nematoden bis hin zu Springschwänzen, Milben, Tausendfüßlern, Regenwürmern, Maulwürfen und Mäusen reichen. Jede dieser Gruppen ist artenreich. So gibt es beispielsweise allein in Deutschland 50 verschiedene Regenwurmarten, die uns bekannt sind. Tatsächlich ist die Vielfalt des Lebens im Boden oft deutlich höher als über der Erde am selben Standort. Eine häufig genannte Zahl ist, dass ein Kubikmeter Waldboden bis zu 2.000 wirbellose Arten enthalten kann.
Bodenökosysteme unterscheiden sich insbesondere auf der Ebene der Mikrohabitate erheblich. Ein und derselbe Bodenblock enthält sehr unterschiedliche Lebensräume wie die Bodenoberfläche, die Krume unter der Erde und den Porenraum, die jeweils unterschiedliche Organismen beherbergen. So sind die meisten im Boden lebenden Organismen stark von den Bodenporen abhängig und leben in ihnen. Diese können mit Luft oder Wasser gefüllt sein, wobei jeweils verschiedene Gruppen von Organismen darin leben.
Es gibt noch andere Möglichkeiten, die Lebensräume im Boden zu betrachten. So bestehen beispielsweise mikroskopisch kleine Grenzschichten zwischen Bodenpartikeln sowie biologische Hotspots, darunter die Rhizosphäre, in der sich Pflanzenwurzeln befinden, oder die Drilophäre um Regenwurmgänge herum. Auch der räumliche Maßstab ist sehr wichtig.
Doch alle diese Arten in all diesen Mikrohabitaten leben in dem, was wir das Bodenbiom nennen, zusammen und interagieren darin. So können sie sich zum Beispiel gegenseitig ernähren, oder die Ausscheidungen der einen liefern Nährstoffe für andere. Diese Wechselwirkungen im Bodenbiom sind von wesentlicher Bedeutung für die Bodenfunktionen, die wiederum Ökosystemleistungen erbringen.
Bodenstruktur und organische Bodensubstanz sind zwei der bekanntesten Beispiele, die für Ökosystemleistungen wichtig sind. Die Bodenstruktur[i] wird dadurch definiert, wie sich verschiedene Partikel in der Bodenmatrix zusammensetzen. Der Boden beinhaltet eine Kombination aus größeren und kleineren Aggregaten von Bodenpartikeln, luft- und wassergefüllten Poren, etc. Bodenspezies können direkt auf die Bodenstruktur einwirken. Beispielsweise bewegen Regenwürmer durch ihre Grabungstätigkeiten das Erdreich und verändern so die Bodenstruktur. Einige dieser Veränderungen können darin bestehen, neue Poren zu bilden und andere zu schließen, einige Teile dichter zu machen oder neue Nahrungsquellen für Bodenorganismen zu schaffen. Regenwürmer gelten als Ökosystemingenieure, da sie den Boden tatsächlich aufwühlen können.
Die Struktur des Bodens ist auch ein wichtiger Faktor im Wasserkreislauf. Sie ist entscheidend dafür, wie viel Wasser der Boden aufnehmen und speichern kann, wie er es reinigt und wie dieses Wasser Pflanzen versorgen kann. Stellen Sie sich vor, was es für die Landwirtschaft, Überschwemmungen oder unsere Gesundheit bedeuten würde, wenn der Boden Wasser nicht speichern oder reinigen könnte.
Ein weiteres Beispiel ist der Nährstoffkreislauf, bei dem es darum geht, wie viel organische Substanz – also Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor – im Boden aufgenommen und gespeichert wird. Die Kohlenstoffeinträge in den Boden sind alle organisch und bilden die Grundlage für das Nahrungsnetz im Boden. Organische Verbindungen wie Blätter und Wurzelspitzen müssen von den im Boden lebenden Organismen zu einfacheren Verbindungen abgebaut werden, bevor Pflanzen sie nutzen können. In einem recht komplexen mehrstufigen Prozess bauen verschiedene Organismen nacheinander abgestorbene Blätter oder Äste ab und verwandeln sie in anorganische Verbindungen, die für die Aufnahme/Verwendung durch Pflanzen geeignet sind. Etwa 90 % der Waldlaubstreu werden von Tausendfüßlern, Regenwürmern und Asseln verarbeitet. Ohne diese Organismen würden wir im Laubabfall ersticken.
Es gibt Bodenbakterien, die atmosphärischen Stickstoff in mineralischen Stickstoff umwandeln, der für das Pflanzenwachstum unerlässlich ist. Pilze befördern Nährstoffe durch den Boden von einem Ort zum anderen. Alle diese mikrobiellen Prozesse werden durch die Beweidung von größeren Tieren reguliert, die sich von diesen Mikroben ernähren. Wir müssen diese vielfältigen und komplexen Wechselwirkungen als die Essenz eines gut funktionierenden Systems betrachten, das uns dann die oben genannten Ökosystemleistungen liefert.
Tatsächlich bieten uns gesunde Böden ein breites Spektrum an Vorteilen. Der Nährstoffkreislauf ist beispielsweise von zentraler Bedeutung für die Erzeugung von Nahrungsmitteln und Faserstoffen. Es gibt auch klare Verbindungen zum Wasserkreislauf. Wenn die Bodenstruktur verändert oder zerstört wird, ist die Fähigkeit des Bodens, Wasser zu reinigen, aufzunehmen und zu halten, beeinträchtigt. So können beispielsweise Verdichtung oder Bodenversiegelung zu mehr Überschwemmungen führen.
Mikrobielle Enzyme aus dem Boden werden in Labors isoliert, um zu sehen, wie sie für die Industrie eingesetzt werden können. Beispielsweise können diese Enzyme in der Papierindustrie Chemikalien ersetzen. Ebenso verwendet die Pharmaindustrie Bodenbakterien bei der Entwicklung von Arzneimitteln, einschließlich Penicillin[ii] und Streptomycin[iii].
Die Bodenbiologie ist ein relativ junges Forschungsgebiet. Außerdem ist der Boden eine rätselhafte Umgebung, die schwer zu beobachten ist. Trotzdem neigen wir dazu, unser Wissen zu unterschätzen. In Europa verfügen wir über ein gutes allgemeines Wissen darüber, welche Organismengruppen in den Böden vorkommen und welche die wichtigsten Arten im Boden sind. Wir haben ein ziemlich gutes Wissen darüber, was die Biodiversität ausmacht, und ein grundlegendes Wissen darüber, wie sich die Bodennutzung des Menschen auf die Biodiversität des Bodens auswirken wird. Es gibt viele Quellen für Informationen über den Boden, darunter der Europäische Atlas der Biodiversität des Bodens[iv] der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Union (Joint Research Center of the European Union) und der Französische Atlas der Bodenbakterien[v].
Um jedoch Veränderungen im Laufe der Zeit zu beobachten, brauchen wir Zeitreihen für die biologische Vielfalt im Boden. Die Zeitreihen, die wir haben, gewinnen wir häufig in Naturschutzgebieten, und dort können wir sehen, dass die biologische Vielfalt des Bodens in der Regel erhalten und bewahrt wird. Hinzu kommt, dass sich der überwiegende Teil der derzeit durchgeführten Bodenüberwachung nur auf chemische Verbindungen bezieht. Neben den Schadstoffen müssen wir auch andere Parameter überwachen und verstehen, wie sich der Klimawandel oder verschiedene landwirtschaftliche Methoden auf die Biodiversität des Bodens und die verschiedenen Bodenfunktionen auswirken. Es gab viele Studien in ganz Europa, aber das Wissen wurde nicht so zusammengetragen, dass wir in der Lage sind, europaweit Ausgangswerte festzulegen.
Boden im Allgemeinen und biologische Vielfalt des Bodens im Besonderen sind sehr standortspezifisch. Wirksame Maßnahmen erfordern oft detailliertere und standortspezifischere Informationen, nicht nur über die Biodiversität und die Verteilung und Wechselwirkungen von Arten an einem bestimmten Standort, sondern auch beispielsweise über die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten und des Klimawandels an diesem Standort.
Es gibt viele Bedrohungen, darunter die Kontamination im Zusammenhang mit unseren Landnutzungspraktiken. So wirken sich Pestizide, Herbizide und andere Chemikalien im Zusammenhang mit der Intensivierung der Landwirtschaft auf die Verteilung der Arten aus und schädigen die Biodiversität im Boden. Weitere Bedrohungen bestehen in physikalischen Veränderungen wie Verdichtung und Bodenversiegelung, das heißt, dem Bedecken des Bodens mit künstlichen Oberflächen wie Beton oder Asphalt. Die Verdichtung reduziert den Porenraum und beeinflusst die in den Poren lebenden Arten, während die Bodenversiegelung den Kohlenstoff- und Wassereintrag in den Boden unterbindet und auch die Verbreitung der Arten vermindert.
Wegen ihres geringen Umfangs und weil es sich um einen relativ langsamen Prozess handelt, wird die Ausbreitung der im Boden lebenden Arten oft ignoriert. Über längere Zeiträume hinweg gibt es tatsächlich eine sehr aktive Ausbreitung über die Landschaft, was eine hohe Biodiversität im Boden ermöglicht. Indem wir die Biodiversität auf Landschaftsebene über dem Boden durch Monokulturen und Landschaftshomogenisierung reduzieren, laufen wir auch Gefahr, die Biodiversität im Boden zu verlieren.
Auswirkungen des Klimawandels, wie z. B. erhebliche Veränderungen der Niederschläge (Dürre oder Überschwemmungen) könnten sich auch auf die Biodiversität im Boden auswirken. 2018 war so warm und trocken, dass wir bei einigen unserer Feldstandorte eine Reduzierung der wirbellosen Arten im Boden um 90 bis 95 % beobachtet haben. Wenn wir die Artenvielfalt stetig reduzieren, können all diese Bodenaktivitäten beeinträchtigt werden.
Es gibt globale und europäische Anstrengungen und Initiativen zum Schutz des Bodens wie die Global Soil Partnership[vi] (Globale Bodenpartnerschaft) sowie die politischen Maßnahmen und Richtlinien der EU, und zwar mindestens, so schätze ich, 18 Richtlinien einschließlich der gemeinsamen Agrarpolitik. Sie befassen sich mit einem breiten Spektrum von Bereichen – von der Reduzierung der Schadstoffemissionen über die nachhaltige Landnutzung bis hin zur Sensibilisierung. Eine bessere Umsetzung dieser politischen Maßnahmen und Richtlinien wäre sicherlich auch ein guter Weg für die biologische Vielfalt im Boden. Vor Ort können viele Maßnahmen ergriffen werden, wie beispielsweise die Reduzierung des Düngemittel- und Pestizideinsatzes und die Einführung von Präzisionslandwirtschaft für landwirtschaftliche Böden.
Fast die Hälfte der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) sind mit dem Boden verbunden – von „sauberes Wasser“ und „Klimaschutz“ bis zu „kein Hunger“ –, und ohne gesunden Boden werden diese SDG nicht erreicht werden.
Copyright photo by Senckenberg, Jaqueline Gitschmann
David Russell
Abteilung Bodenzoologie, Sektion Mesofauna
Senckenberg Museum für Naturkunde, Görlitz, Deutschland
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