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Der Boden ist ein entscheidendes Bindeglied zwischen globalen Umweltproblemen wie Klimawandel, Wasserwirtschaft und dem Verlust der biologischen Vielfalt.
José Luis Rubio, Präsident der Europäischen Gesellschaft für den Schutz des Bodens
Morast, Schlamm, Ton, Erde, Boden: Wir haben etliche Worte für ihn, aber nur wenige werden ihm gerecht. In der virtuellen Welt von heute haben viele von uns im wahrsten Sinne des Wortes die Bodenhaftung verloren. Doch der Boden ist die lebende Haut der Erde, die über dem Muttergestein liegt und das Leben auf der Erde erst möglich macht. So wie Luft und Wasser ist der Boden Teil unseres lebenserhaltenden Systems.
Unsere Vorfahren hatten eine wesentlich engere Beziehung zum Boden. Viele von ihnen hatten täglich mit ihm zu tun. Damals ‑ wie heute – war der Boden von entscheidender Bedeutung für die Bereitstellung von Lebensmitteln. Was man damals nicht verstand, das war die entscheidende Rolle, die der Boden als riesiger natürlicher Kohlenstoffspeicher beim Klimawandel spielt.
Böden binden doppelt so viel organischen Kohlenstoff wie die Vegetation. Die Böden in der EU enthalten über 70 Milliarden Tonnen organischen Kohlenstoffs oder ca. 7 % des globalen Kohlenstoffhaushalts.(8) Mehr als die Hälfte des im Boden gebundenen Kohlenstoffs in der EU wird in den Torfmooren Finnlands, Irlands, Schwedens und des Vereinigten Königreichs gespeichert.
Die Tatsache, dass sich die Kohlenstoffemissionen aus allen Quellen der Mitgliedstaaten der EU auf jährlich 2 Milliarden Tonnen belaufen, vermittelt einen Eindruck von der Größenordnung dieser Zahl. Böden spielen in Bezug auf den Klimawandel also eine entscheidende Rolle. Entwiche auch nur 0,1 % des in europäischen Böden gebundenen Kohlenstoffs in die Atmosphäre, entspräche das den Kohlenstoffemissionen von zusätzlich 100 Millionen Autos auf den Straßen. Das wiederum käme der Erhöhung des Fahrzeugbestands der EU um 50 % gleich.
Boden ist eine endliche RessourceStellen wir uns vor, dieser Apfel(7) sei die Erde. Wir zerschneiden ihn in vier Teile und werfen drei davon weg. Das übrig gebliebene Viertel repräsentiert die Landfläche. Fünfzig Prozent der Landfläche bestehen aus Wüsten, Polargebieten oder Gebirgen* – wo es für den Anbau von Nahrungsmitteln zu heiß, zu kalt oder zu hoch ist. Wir halbieren das Viertel, das die Landfläche darstellt. Vierzig Prozent davon sind zu steinig, zu steil, zu flachgründig, zu nährstoffarm oder zu feucht, als dass sie für die Nahrungsmittelerzeugung geeignet wären. Schneidet man diesen Teil auch noch weg, so bleibt ein sehr kleines Stück Apfel übrig. Werfen wir einen Blick auf die Schale, die die Oberfläche bedeckt und schützt. Diese dünne Schicht stellt die flache Bodenschicht auf der Erde dar. Entfernt man sie, dann bekommt man eine Vorstellung davon, mit wie wenig fruchtbarem Boden wir für die Ernährung unserer gesamten Bevölkerung auskommen müssen. Den Boden beanspruchen wir gleichzeitig für Gebäude, Straßen, Deponien. Verschmutzung und die Auswirkungen des Klimawandels gefährden ihn. Häufig zieht der Boden den Kürzeren. * Wie die weitere Lektüre zeigen wird, ist ein Großteil des Bodens, der für die Nahrungsmittelproduktion ungeeignet ist, für die Aufnahme von CO2 von Bedeutung. |
Die Schlüsselsubstanz in der Beziehung zwischen Boden und Kohlenstoffspeicherung ist die „organische Bodensubstanz“. Darunter versteht man die Gesamtheit der lebenden und abgestorbenen Substanz im Boden, die Pflanzenrückstände und Mikroorganismen umfasst. Sie ist eine äußerst wertvolle Ressource, die essenzielle Funktionen für die Umwelt und die Wirtschaft erfüllt, wozu sie in der Lage ist, weil sie ein vollständiges Ökosystem in mikroskopischem Maßstab darstellt.
Die organische Bodensubstanz leistet einen wichtigen Beitrag zur Bodenfruchtbarkeit. Sie ist ein Lebenselixier, insbesondere für das Leben von Pflanzen. Sie bindet Nährstoffe im Boden, speichert sie und gibt sie an Pflanzen ab. Sie ist Lebensraum für Bodenorganismen, die von Bakterien bis zu Würmern und Insekten reichen und denen sie die Umwandlung von Pflanzenrückständen ermöglicht, wobei die Nährstoffe gespeichert werden, die Pflanzen und Feldfrüchte dann aufnehmen können. Ferner erhält sie die Bodenstruktur aufrecht und erleichtert damit das Einsickern von Wasser, vermindert die Verdunstung, erhöht das Wasserhaltevermögen und verhindert die Bodenverdichtung. Außerdem beschleunigt die organische Bodensubstanz den Abbau von Schadstoffen, die sie an ihre Partikel binden kann. Damit beugt sie dem Oberflächenablauf vor.
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Mittels Photosynthese nehmen alle im Wachstum begriffenen Pflanzen CO2 aus der Atmosphäre auf und bilden damit Biomasse. Doch analog zum Pflanzenwachstum über der Erde findet im Verborgenen ein Wachstum ähnlicher Größenordnung unter der Oberfläche statt. Die Wurzeln geben kontinuierlich unterschiedliche organische Verbindungen an den Boden ab, von denen sich die dort lebenden Mikroben ernähren.
Dies verstärkt die biologische Aktivität im Boden und regt die Zersetzung der organischen Bodensubstanz an, damit mineralische Nährstoffe freigesetzt werden können, die die Pflanzen für ihr Wachstum brauchen. Das funktioniert auch in die entgegengesetzte Richtung: Ein Teil des Kohlenstoffs wird in stabile organische Verbindungen eingebaut, die den Kohlenstoff binden und für Hunderte von Jahren aus der Atmosphäre fernhalten können.
Je nach landwirtschaftlicher Bewirtschaftungspraxis, Bodentyp und klimatischen Bedingungen kann die biologische Aktivität für die organische Bodensubstanz unterm Strich positiv oder negativ ausfallen. Eine Vermehrung der organischen Bodensubstanz schafft (zusätzlich zu anderen positiven Wirkungen) Langzeitsenken für atmosphärischen Kohlenstoff. Eine Verminderung der organischen Substanz bedeutet, dass CO2 austritt und wir durch unsere Bewirtschaftungsmethoden die Gesamtsumme der vom Menschen verursachten Emissionen weiter erhöhen.
Folglich hat die Art und Weise, in der wir Flächen nutzen, Auswirkungen darauf, ob Böden Kohlenstoff binden oder freisetzen. Vor allem setzen Böden Kohlenstoff dann frei, wenn wir Grünland, bewirtschaftete Waldflächen oder natürliche Ökosysteme in landwirtschaftliche Nutzflächen umwandeln.
Der Prozess der „Wüstenbildung“ – bei dem fruchtbarem, gesundem Boden in einem Maße Nährstoffe entzogen werden, das jegliches Leben unmöglich macht, und bei dem der Boden schließlich durch Wind abgetragen werden kann – veranschaulicht auf sehr dramatische Weise eines der Probleme, mit denen Böden europaweit konfrontiert sind.
„Die natürlichen Bedingungen wie Trockenheit, Schwankungen der Niederschlagshäufigkeit und -stärke sowie gefährdete Böden haben in Verbindung mit dem Zivilisationsdruck der Vergangenheit und Gegenwart dazu geführt, dass große Teile Südeuropas von der Wüstenbildung betroffen sind“, sagt José Luis Rubio, Präsident der Europäischen Gesellschaft für den Schutz des Bodens und Leiter einer Forschungsstelle für die Untersuchung von Böden der Universität Valencia und der Stadt Valencia.
In Süd-, Mittel- und Osteuropa weisen derzeit 8 % des Territoriums – ca. 14 Millionen Hektar – eine hohe Anfälligkeit für Wüstenbildung auf. Berücksichtigt man Flächen mit gemäßigter Anfälligkeit, so steigt diese Zahl auf über 40 Millionen Hektar. Am stärksten sind davon in Europa Spanien, Portugal, Südfrankreich, Griechenland und Süditalien betroffen.(10)
„Die allmähliche Bodendegradation durch Erosion, Verlust von organischer Substanz, Versalzung oder die Zerstörung seiner Infrastruktur überträgt sich in Form einer Spirale auch auf andere Bestandteile des Ökosystems – Wasserressourcen, Vegetationsdecke, Fauna und Mikroorganismen im Boden – und hat schließlich die vollständige Verödung der Landschaft zur Folge.“
„Es ist für die Menschen häufig schwer, die Folgen der Wüstenbildung zu verstehen oder auch nur wahrzunehmen, denn sie vollziehen sich im Allgemeinen unbemerkt und im Verborgenen. Doch die Wüstenbildung zählt aufgrund ihrer ökologischen Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion, aufgrund der höheren ökonomischen Kosten, verursacht durch Überschwemmungen und Erdrutsche, ihrer Auswirkungen auf die biologische Qualität der Landschaft sowie aufgrund der Auswirkungen auf die Stabilität des terrestrischen Ökosystems insgesamt zu den ernstesten Umweltproblemen in Europa“, stellt José Luis Rubio fest.
Böden sind eine äußerst wichtige und sehr komplexe natürliche Ressource, und doch wird ihr Wert von uns zunehmend ignoriert. Die Rechtsvorschriften der EU gehen nicht umfassend auf sämtliche Gefährdungen ein, und in einigen Mitgliedstaaten steht die Verabschiedung spezifischer Rechtsvorschriften zum Schutz von Böden noch aus.
Die Europäische Kommission erarbeitet seit vielen Jahren Vorschläge für eine Bodenschutzpolitik, die jedoch in einigen Mitgliedstaaten umstritten sind, so dass entsprechende politische Bemühungen vorerst nicht vorankommen. Das hat zur Folge, dass Böden nicht in gleicher Weise geschützt werden wie andere lebenswichtige Elemente wie z. B. Wasser und Luft.
Fokus: Um des Torfes willenTorfökosysteme sind die effizientesten Kohlenstoffspeicher aller terrestrischen Ökosysteme. Obwohl Torfmoore lediglich 3 % der Landfläche unserer Erde ausmachen, sind darin 30 % des weltweit im Boden gespeicherten Kohlenstoffs gebunden. Damit sind Torfmoore der effizienteste Langzeitkohlenstoffspeicher der Erde. Doch durch sein Eingreifen kann der Mensch das natürliche Gleichgewicht von Entstehung und Zersetzung leicht stören und damit Torfmoore in eine Kohlenstoffemissionsquelle verwandeln. Aktuellen Schätzungen zufolge belaufen sich die durch Entwässerung, Brände und Bodennutzung verursachten CO2-Emissionen von Torfmooren auf mindestens 3 Milliarden Tonnen pro Jahr - das entspricht mehr als 10 % der weltweit durch fossile Brennstoffe verursachten Emissionen. Die Torfmoorbewirtschaftung in ihrer derzeitigen Form ist im Allgemeinen nicht nachhaltig und hat schwere negative Auswirkungen auf die Biodiversität und das Klima.(11) |
7 The Natural Resources Conservation Service, Landwirtschaftsministerium der USA
8 Europäische Kommission: Europäische Kommission, 2008, „Review of existing information on the interrelations between soil and climate change“
9 http://ec.europa.eu/environment/pubs/pdf/factsheets/soil.pdf
10 Desertification Information System in the Mediterranean Basin (DISMED)
11 UNEP-Bericht, 2011, Assessment on Peatlands, Biodiversity and Climate Change
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